„Hexenzauber, Hexenpack, Trommelwirbel, Dudelsack“

Hänsel und Gretel in Amerang

Amerang – Einen besseren Zeitpunkt konnte die Ameranger Theatergemeinschaft für ihre Aufführung kaum wählen als den Beginn der „staaden Zeit“. Tief sitzen in uns die uralten menschlichen Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen, die im Märchen von Hänsel und Gretel neu geweckt werden. Gern ließen sich in Amerang die Kleinen und Großen zwischen drei und 99 Jahren davon ergreifen und anrühren. Gesammelt und aufgeschrieben haben die Gebrüder Grimm diese alte Geschichte vom Holzfäller im Wald, vom drohenden Hunger der Kinder, vom leckeren Knusperhäuschen, von der bösen und falschen Hexe und schließlich von der mutigen Gretel und der Rettung der Kinder. Wie schon 1996 hat es Franz Hasieber sachkundig und einfühlsam verstanden, das Märchen ins Bayerische zu übertragen und in Szene zu setzen. Überzeugend füllten die engagierten Spieler ihre Rollen mit köstlichem Ameranger Kolorit. Versonnen saß Gretel (Maria Scalise) zu Beginn am Spinnrad, und man konnte meinen, das Stück ginge im antiquierten Stil des 19. Jahrhunderts so weiter. Da schlich sich Hänsel (Veronika Gubisch) mit einer Vogelscheuche heran, deren Softballkopf an Halloween erinnerte, und bald tanzten Hänsel und Gretel damit übermütig über die Bühnenbretter. Und sie luden ihre Stiefmutter (Angelika Schmid) ein: „Ach Mutter, schimpf doch nicht immer nur, sei doch mal fröhlich und tanz mit uns!“

Allein im Wald zurückgelassen zu werden, weil die Not allzu groß geworden ist, dieses Symbol gehört wohl zu den Urängsten unseres Lebens. Auch „Tränen werden kostbar sein wie Perlen oder Edelstein“, lernten die beiden Kinder am Ende des Stückes. Dass Hänsel und Gretel, die sich im Wald verirrt haben, dort in ihrem Schlaf von Engeln behütet werden, diese Szene gehörte wohl zu den besinnlichsten Momenten der Aufführung. Wünschen möchte man dabei sowohl den Spielern wie den Zuschauern, dass Engelfiguren für sie in der vorweihnachtlichen Zeit nicht einfach dazugehören wie Märchengestalten, Schokoladen-Nikoläuse und Lametta, sondern dass sie Ausdruck christlichen Vertrauens sind. Appetitlich zum Anbeißen lockte das Pfefferkuchenhaus auf der Bühne, und auch die anderen Kulissen verwandelten die Gemeindehalle in einen wahren Zauberwald. Angsteinflößend, wie es sich für diese dunkle Gestalt gehört, erschien die Hexe (Monika Rechl) mit breiter Hutkrempe und der langen gebogenen Nase auf der Bühne. Wie eingefroren verharrten Hänsel und Gretel im Schrecken des Hexenbanns. Dann aber überraschten die Ameranger mit einer pyrotechnischen Glanzleistung des Lichttechnikers Werner Höhne. Denn beim Hexenritt verursachte das böse Weib bei grell-schallendem Gelächter eine Explosion mit ihrem Besen. Ebenso waren wohl alle technisch versierten Kinder und Eltern begeistert vom flackernden Feuer im Hexenofen, das zugleich alle Brandschutzvorschriften einhielt. Dramaturgisch gekonnt wirkte die Szene, in der die Hexe ihren Stock auf Hänsel richtete und den armen Hänsel dabei wie in Zeitlupe rückwärts in den Käfig drängte.

Dass schließlich alle wieder heimfinden – im Märchen wie im Leben – das ist die tiefe Sehnsucht, die alle Menschen erfüllt. Erstaunlicherweise ist es hier einmal der Vater (Karl-Heinz Voit), der die Kinder suchen geht. Treue Begleiter waren für die Zuschauer auch der Rabe (Ludwig Thaller) und die Katze (Manuela Kroneck), die durch die Vorstellung führten. Der Bär (Wolfgang Voit) erfüllte seine Aufgabe als beliebter Bonbonverteiler zu Beginn und in der Pause. „Wenn wir fest zusammenstehen und uns gegenseitig Mut machen, dann ist alles halb so schlimm“, durften Hänsel und Gretel erfahren. Die Aufführung der Ameranger Theatergemeinschaft mit allen Aktiven und Helfern hat die Erfüllung dieser Hoffnung anschaulich vor Augen geführt: Es muss keine Utopie bleiben, dass „alle glücklich leben und keinen Hunger mehr leiden müssen“. 

Bericht: Michael Pabel

Fotos: Sepp Kern  

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